Er war schon immer da
Seit jeher sind Gott und sein Sohn eins. Christus ist das Abbild des Vaters. Wer seine Herrlichkeit sah, der sah auch die Herrlichkeit Gottes. Als die Sünde in die Welt hereinbrach, wurde Gottes Bild verzerrt; mitunter war es kaum noch zu erkennen. Die Menschen stellten sich zwar vor, wie Gott sein könnte oder sein müsste, aber mit der Wirklichkeit hatte das meist wenig zu tun. Deshalb entschloss sich Gott, seinen Sohn auf diese Erde zu senden, damit die Menschen begriffen, wie Gott tatsächlich ist: liebevoll und mitfühlend. In den heiligen Schriften wird mit folgenden Worten auf die Menschwerdung Christi hingewiesen: »›Sie werden ihm den Namen Immanuel geben‹, das heißt übersetzt: Gott mit uns.« (Matthäus 1,23; Jesaja 7,14 LT)
Jesus war gleichsam »das Wort Gottes“, mit dem sich der Vater an die in Sünde geratene Menschheit wandte, um sein göttliches Wesen und seine Gedanken hörbar und sichtbar zu machen. Diese Selbstoffenbarung war aber nicht nur für die Bewohner unserer kleinen Erde bestimmt, sondern galt allen Geschöpfen im weiten Universum. Das Geschehen am Kreuz auf Golgatha sollte allen im Himmel und auf Erden zeigen, wie sehr Gott sie liebt. Sie sollten begreifen, daß es nur eine gültige Lebensordnung in dieser Welt geben kann — das Gesetz der Liebe, einer Liebe, die ihre Quelle in Gott hat und nicht nur um sich selbst kreist.
Diese Liebe war es, die den Sohn Gottes dazu trieb, unsere Erde zu schaffen. Aus seiner Hand ging das All ebenso hervor wie auch die winzige Frühlingsblume auf der Wiese. (Psalm 95,4.5 LT) Und mit beidem wollte er seinen Geschöpfen sagen: Gott liebt euch!
Die Sünde hat zwar vieles verdorben, aber die Handschrift Gottes völlig von der Erde zu tilgen, war ihr nicht möglich. Die gesamte Schöpfung beruht nach wie vor auf dem Prinzip des Nehmens und Gebens. Grüne Pflanzen wachsen im Sonnenlicht, ziehen Kraft aus dem Boden und dienen damit zugleich den Tieren als Lebensgrundlage. Die Meere nehmen das Wasser der Flüsse auf, und die Wolken sorgen dafür, dass der Regen das Land feuchtet und die Wasserläufe wieder speist.
Auch die Engel im Himmel haben Freude am Geben. Sie wirken darauf hin, Menschen zu Gott zu lenken und zur Umkehr zu bewegen. Höchstes Ziel ist ihnen die Versöhnung zwischen Mensch und Gott. Wer dafür offene Augen hat, wird auch erkennen, daß sich der Vater am deutlichsten in seinem Sohn offenbart hat. Durch Christus fließen der Menschheit Gnade und Liebe zu. Eingesetzt im Dienst für Gott, führen sie wiederum hin zum Vater, so wie es uns das Spiel der Meereswellen vor Augen malt.
Das Verhängnis: Ichsucht und Überheblichkeit
So merkwürdig es auch klingen mag: Die Sünde hat ihren Ursprung im Himmel. Irgendwann in der Vorzeit lehnte sich Luzifer, ein ranghoher Engelfürst, gegen die Herrschaft Gottes auf. Er war mit seiner ohnehin herausragenden Position nicht zufrieden, wollte nicht einer unter mehreren sein, sondern über allen stehen — oder wie es die Bibel ausdrückt: »gleich sein dem Allerhöchsten« (Jesaja 14,14 LT). Obwohl nur ein Geschöpf Gottes, wollte er genauso geehrt werden wie der Schöpfer. Und er unternahm alles, um die Bewohner des Himmels auf seine Seite zu ziehen. All das, was in seinem eigenen Herzen aufgekeimt war, das unterstellte er dem Schöpfer: Machtgier, Rücksichtslosigkeit, Ungerechtigkeit. Ein Teil der Engel durchschaute diese satanischen Machenschaften nicht, sondern ließ sich täuschen und hineinreißen in die Rebellion gegen Gott. Damit brach die Nacht der Sünde und des Elends über unsere Welt herein. Würde es je wieder hell werden in Gottes Schöpfung? Die Antwort der Heiligen Schrift lautet: Ja! Aber Gott wollte den Aufruhr nicht mit Gewalt beenden. Satans Einfluß sollte vielmehr dadurch ausgeschaltet werden, dass dessen betrügerisches Treiben vor aller Welt offenbar wurde. Dem Schöpfer liegt nichts an erzwungenem Gehorsam; er möchte um seiner selbst willen geliebt werden. Und Liebe gewinnt man nun einmal nicht durch Druck oder Gewalt, sondern allein durch Liebe. Irgend jemand musste den Verdächtigungen Satans entgegentreten und beweisen, dass Gott nicht so ist, wie Satan ihn hinstellte. Wer anders als der Gottessohn hätte das tun können? Nur er wusste, wie Gott wirklich ist; er konnte das den Engeln und Menschen glaubwürdig vermitteln.
Viele meinen, Gott habe den Plan zur Erlösung der Menschen erst nach dem Sündenfall gelegt, sozusagen als Notbehelf. Aber das stimmt nicht. In der Schrift heißt es: »Laßt uns Gott danken, denn er kann euch im Glauben standhaft machen. Das geschieht durch die Gute Nachricht, die ich weitergebe. Sie ist die Botschaft von Jesus Christus und enthüllt das Geheimnis, das seit uralter Zeit verborgen war, jetzt aber ans Licht gekommen ist.« (Römer 16,25) Und an anderer Stelle wird gesagt: »Er (Christus) ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt wurde, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen, die ihr durch ihn glaubt an Gott.« (1.Petrus 1,20.21 LT)
Noch ehe er die Welt erschuf, hatte Gott Vorsorge getroffen für den Fall, dass die Sünde aufkommen würde. Sein Sohn sollte Mensch werden, um den Sündern die Wahrheit über Gott zu sagen und sie wissen zu lassen, dass der Vater sie trotz allem liebt und retten will. (Johannes 3,16)
Der Unterschied zwischen Luzifer, dem rebellischen Engelfürsten, und Christus, dem Gottessohn, ist mit Händen zu greifen. Satans Leitspruch hieß: »Ich will in den Himmel steigen und meinen Thron über die Sterne Gottes erhöhen. Ich will auffahren über die hohen Wolken und gleich sein dem Allerhöchsten.« (Jesaja 14,13.14 LT) Um das zu erreichen, schreckte er vor nichts zurück. Ganz anders Christus: »Er war in allem Gott gleich, und doch hielt er nicht daran fest, zu sein wie Gott. Er gab es willig auf und … wurde ein Mensch in dieser Welt und teilte das Leben der Menschen. Im Gehorsam gegen Gott erniedrigte er sich so tief, dass er sogar den Tod auf sich nahm.« (Philipper 2,6-8 LT)
Die Rettung: Der Weg nach unten
Christus hätte die himmlische Herrlichkeit nicht verlassen müssen, dennoch entschied er sich, Mensch zu werden. Wir sollten wissen, dass uns Gott ewiges Leben anbietet und wir es im Glauben an ihn empfangen können. Gottes Sohn kam als Mensch auf diese Erde, weil keiner seiner himmlischen Herrlichkeit hätte standhalten können; Christus wurde einer von uns, um uns ganz nahe zu sein.
Seit jeher ist Gott den Menschen durch Christus so begegnet, dass sie es fassen konnten. Mose erschien er im brennenden Busch; Israel führte er durch eine Feuer- und Wolkensäule. Und wo der Herr nicht in sichtbarer Gestalt erschien, benutzte er symbolische Handlungen oder Gegenstände, um zu zeigen, daß er seinen Kindern nahe ist. (2. Mose 25,8 LT)
Christus hatte seine Göttlichkeit aufgegeben, dennoch spürten die Menschen etwas von seiner Gottessohnschaft. Johannes sagte es so: »Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.« (Johannes 1,14 LT) Weil Jesus lebte wie die anderen Menschen, weil er dachte und redete wie sie, konnte er ihnen auch begreiflich machen, dass der Schöpfer nicht ihr Feind, sondern ihr Freund ist. Wer sich mit dem Leben Jesu und mit seiner Botschaft befasst, wird feststellen, dass die Anschuldigungen Satans, Gott sei ein selbstsüchtiger Tyrann, dessen Forderungen niemand erfüllen und dem es keiner recht machen könne, nicht stimmen. Die Menschwerdung Christi hat derartigen Verdächtigungen den Boden entzogen. Jesus war Mensch und blieb Gott treu, obwohl er mit den gleichen Anfechtungen zu tun hatte wie wir. Er wusste, was es heißt, in einer sündigen Welt zu leben, denn er musste »in allem seinen Brüdern gleich werden, damit er barmherzig würde und ein treuer Hoherpriester vor Gott … Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde.« (Hebräer 2,17; 4,15 LT) Dieses »in allem« deutet an, daß es keinen Lebensbereich gibt, in dem sich der Gottessohn nicht der Angriffe Satans hätte erwehren müssen. Und das Wesentliche dabei: Er widerstand den Versuchungen nicht mit übernatürlichen Mitteln, sondern allein in der Kraft Gottes, die auch uns zur Verfügung steht. Sein Gehorsam soll uns zeigen, dass auch wir im Glauben und mit seiner Hilfe den Willen Gottes in unserem Leben befolgen können.
Durch sein Menschsein ist Christus mit uns Menschen verbunden, durch seine Göttlichkeit mit dem himmlischen Vater. Als Mensch ist er uns Vorbild im Glauben und in der Treue zu Gott, als Gottessohn schenkt er uns die Kraft zum Gehorsam. Es sind keine leeren Worte, wenn er sagt: »Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.« (Matthäus 28,18 LT) Und die im Namen Immanuel enthaltene Verheißung lässt uns der Erlösung sicher sein. Durch dieses »Gott mit uns« will der Herr uns sagen: Im Kampf gegen die Sünde seid ihr nicht auf eure eigene Kraft angewiesen, sondern ich helfe euch zu einem Leben, das meinem Willen entspricht.
Wer sich mit dem Leben Jesu befasst, wird feststellen, wie sehr sich der Gottessohn von seinem Widersacher unterscheidet. Der rebellische Engelfürst suchte den Weg nach oben, Jesus Christus »erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz« (Philipper 2,8 LT). Satan zog einen Teil der Engelwelt sowie die ganze Menschheit in seinen Aufruhr hinein und lieferte sie damit dem Verderben aus. Christus wendete das Verhängnis ab, indem er sein Leben für uns in die Waagschale warf. »Aber er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.« (Jesaja 53,5 LT)
Die Strafe liegt auf ihm
Was will der Prophet Jesaja mit der Wendung »die Strafe liegt auf ihm« zum Ausdruck bringen? Doch wohl dies: Gott behandelt seinen Sohn, wie wir sündigen Menschen es verdient hätten; mit uns dagegen geht er so um, wie es Christus verdient hätte, der von keiner Sünde wusste. Weil sein Sohn für unsere Schuld büßte, stehen wir als Gerechtfertigte vor Gott. Jesaja sagt: »… durch seine Wunden sind wir geheilt.« Natürlich war das nicht im Sinne Satans; denn dadurch wurde seine Absicht vereitelt, einen Bruch zwischen Gott und den Menschen herbeizuführen. Als Christus Mensch wurde, fügte er zusammen, was der Feind Gottes durch Täuschung und Verführung auseinandergerissen hatte, Gottes Sohn war es, der Himmel und Erde wieder miteinander verband. Darauf deuten bereits alttestamentliche Prophetenworte hin. Jesaja beispielsweise nennt in seiner Ankündigung des »Menschensohnes« Namen wie »Wunder-Rat«, »Gott-Held«, »Ewig-Vater« und »Friede-Fürst« (Jesaja 9,5.6 LT). Und indem sich Christus nicht scheute, uns seine Schwestern und Brüder zu nennen, machte er deutlich, daß wir zur himmlischen Familie gehören und in Gottes Liebe eingebunden sind.
Mit seiner Menschwerdung hat der Gottessohn ein für allemal gezeigt, dass Gottes Herrschaft sich nicht auf Gewalt stützt, sondern auf Gerechtigkeit und Liebe. Alle Welt konnte sehen, dass Satans Behauptungen nicht wahr sind. Dem Widersacher Gottes wurde damit die »fromme« Maske vom Gesicht gerissen. Das wird die Welt davor bewahren, daß Empörung und Abfall ein zweites Mal aufbrechen. Himmel und Erde sind wieder eine Einheit, weil Gott selbst sie durch seinen Sohn miteinander verbunden hat.
Es ist wahr, dass sich gerade auf unserer Erde zeigt, wie mächtig die Sünde ist. Aber es ist genauso unumstritten, dass Gott mächtiger ist. Deshalb wird die Geschichte unseres Planeten für immer und für alle Geschöpfe Gottes von Bedeutung sein. Nicht umsonst hat Gott verheißen, dass er dort bei den Erlösten »wohnen« will, wo einst sein Sohn als Mensch lebte, litt und starb. »Vom Thron her hörte ich eine starke Stimme: Jetzt wohnt Gott bei den Menschen! Er wird bei ihnen bleiben, und sie werden sein Volk sein. Gott selbst wird als ihr Gott bei ihnen sein … Was einmal war, ist für immer vorbei.« (Offenbarung 21,3.4) Dass Gott »Immanuel«, den »Gott mit uns« geschickt hat, wird für die Gläubigen ein Anlass zu immerwährendem Dank sein.
Dieser Text wurde dem Buch »Der Sieger – Jesus von Nazareth« entnommen, mit freundlicher Genehmigung des Advent-Verlages. »Der Sieger – Jesus von Nazareth«; Autor: Ellen G. White; Advent-Verlag, ISBN 978-3-8150-1597-1, Advent-Verlag Lüneburg
Sie finden diesen Titel auch als Online-Buch in Englisch unter folgender Website www.egwwritings.org